Montenegro: Balkanfahrt 2013

Viele Regionen von Europa sind als hervorragende Fahrtenregionen unter Pfadfindern bekannt. 16 Pfadis, davon 15 aus dem Gau Altburgund und einer aus dem Gau Neuburgund wollten ein völlig unbekanntes Land erkunden. Montenegro wurde erst am 21.05.2006 durch eine Volksabstimmung unabhängig und gehört zu den jüngsten Staaten Europas. Doch was findet man in dem kleinen Staat, der die Größe von Schleswig-Holstein hat? Das fragten wir uns auch. Bilder von hohen Bergen und tiefen Schluchten lockten uns in den wilden Balkan.

Erste Eindrücke

Nachdem wir in der Hauptstadt Podgorica landeten, machten wir uns nach einer Nacht gleich auf den Weg nach Veruša, dem Start der Fernwanderroute CT-1. Die Fahrt erfolgte mit vier Taxis, da der Bus aus einem Sprinter bestand, in den wir nicht alle reingepasst hätten. Zum Glück sind dort Preise für den Verkehr und auch für Taxis niedrig. Wir sahen dort die ersten Markierungen der CT-1. Während der ersten Tageshälfte erinnerten einige Teile des Weges etwas an den Pfälzer Wald, bald ging es jedoch zu einer alpinen Landschaft über. Nach der Siesta am Bukumirsko Jezero, einem See, der zum Baden einlud, folgten wir dem Wanderweg weiter.

Aufbruch ins Abenteuer

Es ging durch eine kleine Schlucht zur Baumgrenze, dann weiter zum ersten gefürchteten Pass. Hinter ihm ging es kurz bergab, dann wieder weiter bergab zum nächsten Pass. Das Gelände war sehr grasig und felsig. Nach dem fünften Pass führte der Weg in einen Kessel hinunter. Wir hatten keine Lust, zuerst abzusteigen und liefen querfeldein zum nächsten Pass. Endlich war ein Abstieg in Sicht, jedoch hatte schon die Dämmerung begonnen. Wir beschlossen uns einen Schlafplatz zu suchen. Zum Kochen schmolzen wir Schnee, da unser Trinkwasser etwas knapp war. Wir wussten nicht wo wir uns auf der Karte befanden, denn die Wege waren auf den alten Karten nicht eingezeichnet, dennoch war die Stimmung am ersten Abend sehr gut, sicherlich trug hierzu die geniale Landschaft erheblich bei.

Kurz vor Albanien

Am nächsten Morgen begannen wir mit dem Abstieg und schon bald erreichten wir eine Quelle. Dann kamen wir zu einem kleinen Bergdorf an einem See. Wir fragten, wo wir seien. Der Mann antwortete „Rikava?ko jezero“ und schon fand ich ihn auf der Karte. Wir waren nur zwei Kilometer von der albanischen Grenze entfernt und mussten zurück auf den Fernwanderweg. Es waren nur wenige Kilometer, jedoch unzählige Höhenmeter auf einer „main road“, die aus einem Feldweg bestand. Sobald wir unseren Wanderweg wieder erreichten, waren wir alle erleichtert und es ging weiter Richtung Maglic, einem 2142m hohen Berg. Unser Lager schlugen wir kurz davor auf, ließen uns das Abendessen schmecken und warteten auf den Sonnenuntergang.

Das harte Schneefeld

Nach einem harten Aufstieg auf den Berg, einer tollen Aussicht und einer recht kalten Nacht begannen wir mit dem Abstieg. Schon nach kurzer Zeit kam ein weiteres Hindernis der Fahrt, ein Schneefeld an einem bestimmt 40° steilen Hang das wir überqueren mussten. Wer rechnet nur damit auf diesen Breitengraden in dieser Höhe? Wir hatten es nicht! Wir versuchten es zu überqueren, bis die erste Person abrutschte, mehrere Überschläge machte und schließlich im Geröll landete. Zum Glück waren es nur einige Schürfwunden und nicht ernsteres. So etwas wollten wir nicht weiter riskieren. Mit Hilfe eines Seiles ließen wir die Rucksäcke auf dem Schneefeld herunter. Dann befestigten wir das Seil mit einer „!!!“ und hangelten uns hintereinander herunter.

Wir waren alle froh, diese schwierigen fünf Meter ohne ernsthafte Verletzungen überstanden zu haben. Nach einigen Kilometern kam schon das nächste Hindernis. Die eingezeichnete Quelle führte kein Wasser. Etwa drei Kilometer entfernt waren Häuser mit Quellen eingezeichnet. Wir hatten fast nichts mehr. Jetzt war Wasser rationieren bei Hitze und Mittagssonne angesagt. Doch auch hier hatten wir wieder Glück. Nach wenigen hundert Metern gelangten wir an einen Bach, an dem wir Wasser auffüllen konnten. Man weiß also selten, was im Balkan einen erwartet. An der nächsten Akm konnten wir sogar leckeren Schafskäse kaufen. Nach einer Siesta im schattigen Wald ging es hoch zu einer Kirche mitten in den Bergen, dann weiter zu einer auf keiner Karte eingezeichneten Schutzhütte am Fuße des Komovi-Massives. Diese Hütte hatte gleich 2 Überraschungen parat, frische Zwiebeln und frische Kartoffeln. Das Abendessen wurde ein Festessen und alle waren gespannt, was uns am nächsten Tag erwartet.

Die größten Schuttfelder im Balkan

Jetzt mussten wir noch das Komovi-Massiv überwinden. Es ging wieder auf über 2100m hoch über einen Pass, danach an den größten Schotterfelder des Balkan vorbei. Die Wege waren steil, beim Abstieg waren steile Geröllfelder zu durchqueren, bei denen eine Person von uns ein Stück abstürzte. Zum Glück ist auch diesmal nichts Schlimmeres passiert. Zum Mittag kamen wir wieder etwas in die Zivilisation zurück. Wir beschlossen, weil wir dank unseres Umweges an den ersten Tagen, die CT-1 gut sein zu lassen und direkt nach Zabljak ins Durmitor-Gebirge zu fahren, wo auch der höchste Berg von Montenegro steht - nicht zuletzt weil unsere Lebensmittel knapp waren. Die Leute aus einer Hütte, an der wir übernachteten, organisierten uns einen Transport in einem Kleinbus.

Ein Tag - drei Ziele

Nach einem Ruhetag wurde es noch einmal richtig hart. Wir mussten eine andere Hütte am anderen Ende des Durmitor Nationalparks erreichen, denn Wildcampen innerhalb dieses Nationalparks ist strengstens verboten. Wir hatten drei Ziele: die Eishöhle Ledena Plecina, den Bobotov Kuk, welcher der höchste Berg von Montenegro ist und zuletzt die Hütte am Veliko Škr?ko Jezero. Trotz Wanderführer und Karte war auch hier wieder vieles völlig ungewiss. Wir starteten auf einer Höhe von ca. 1460m. Zuerst durch Wälder hindurch, dann über Wiesen und Geröll. Uns verfolgten mehrere Kilometer zwei Hunde, die offenbar kein zu Hause hatten. Die Landschaft war mindestens genauso schön wie in den ersten Tagen. Noch am Vormittag erreichten wir die Eishöhle. Beim Abstieg war oberste Vorsicht angesagt, schließlich war sie sehr steil, während der Schnee und das Eis den Abstieg zusätzlich erschwerten. Nach einer nicht gerade langen Mittagspause widmeten wir uns dem nächsten Ziel. Zuerst eine Weile bergab. Jedoch erblickten wir schon nach kurzer Zeit den 2300m hohen Pass neben dem Bobotov Kuk. Es ging über riesige Schneefelder nach oben. Das letzte Stück erforderte etwas Höhenfestigkeit und Schwindelfreiheit. Wir deponierten die Rucksäcke auf dem Pass und machten uns auf den Weg zum Dach Montenegros, dem 2523m hohen Bobotov Kuk. Er ist zwar eigentlich nicht der höchste Punkt des Landes, aber der Dobra Kolata ist nur wenige Meter höher und liegt zur Hälfte in Albanien. Oben wurden wir mit einem grandiosen Ausblick belohnt. Das zweite Ziel des Tages war erreicht. Nach dem Abstieg zurück zum Pass war es schon sehr spät. Die Karte sagte uns: Es geht jetzt von 2351m auf 2051m runter zu einem See, dann weiter auf einen 2075m hohen Pass und zuletzt runter zur Hütte auf 1723m. Der Abstieg verlief noch sehr harmlos, wobei der Aufstieg zum Pass eine wirklich große Herausforderung darstellte, warum dieser Weg in keinem Wanderführer erwähnt wird, erklärte sich von selbst. Zwei Kletterstellen erschwerten den Weg. Der Abstieg konnte eigentlich nur einfacher sein – dachten wir wieder einmal. Auch dort waren zwei schwierige Kletterstellen zu überwinden. Kurz vor unserem Ende der Tagesetappe versperrte und ein letztes Hindernis den Weg. Vor uns standen muhend und schnaubend Kühe, Kälber und einige Stiere, die uns wirklich Angst einjagten, denn mit wütenden Eltern ist nicht zu spaßen. Nachdem wir sie mit Vorsicht umgangen hatten, kamen wir in der mit Kerzenschein beleuchteten Hütte an. Es war ein Hüttenwirt anwesend. Wir aßen noch eine Kleinigkeit, verdauten die Erlebnisse und sehnten dem lang verdienten Schlaf entgegen, schließlich waren wir von 6 bis 22 Uhr im Durmitor unterwegs gewesen. Nach eingehender Beratung einigten wir uns darauf bis 10 Uhr zu schlafen, denn selbst der Stärkste kommt irgendwann an seine körperlichen Grenzen.

Durch Urwälder und Schluchten

Noch zwei Tagesetappen waren es bis Plužine. Eine verlief durch eine Schlucht durch einen Urwald hindurch, die zweite zur Abwechslung mal auf einer Straße. Von dort fuhren wir ins das Rafting-Camp nahe der Grenze zu Bosnien und gönnten uns einen Ruhetag.

Jetzt war eine Rafting-Tour auf der Tara angesagt. Die Tara ist an dieser Stelle der Grenzfluss zu Bosnien und Herzegowina und zählt zu den klarsten Flüssen Europas. Ihre Schlucht ist die tiefste Schlucht Europas und die zweittiefste der Welt. Nach dem Anziehen der Neoprenanzüge wurden wir zum Startpunkt gefahren. Die 18km boten uns einige Wildwasserstellen. Bei der ersten Pause waren wir beim Schwimmen froh, dass wir uns Neoprenanzüge angezogen haben. Das Wasser war nämlich eiskalt. Unterwegs durften wir uns einmal sogar längere Zeit treiben lassen. Leute von anderen Booten fragten uns, wie wir es so lange im kalten Wasser aushalten, aber wir waren eben harte Pfadis, die das kalte Wasser nicht abschreckte. Nach einigen Stunden kamen wir wieder am Rafting camp an, wo wir noch eine Nacht verbrachten, bevor wir an die Küste fuhren.

Der Notfall

Nach einem chaotischen Transport nach Budva und einer Übernachtung dort kamen wir gut gelaunt in Risan an. Schon nach kurzer Zeit merkten wir allerdings, dass bei der letzten Busfahrt eine Tasche, die an einem Rucksack hing, verloren gegangen war. In der Tasche waren der Geldbeutel, der Reisepass und ein wichtiges Medikament eines unserer Mitglieder. Am Abend planten was wir machen, wenn wir das Medikament nicht bekommen. Am nächsten Tag geschahen jedoch Wunder. Das Medikament war zu bezahlbarem Preis erhältlich und die Tasche wurde doch noch vom Busfahrer in einem Seitengepäckraum gefunden. Aber uns gelang noch etwas verdammt Gutes: Wir bekamen eine Gitarre. Weil wir jedoch dadurch einen Tag verloren hatten, entschieden wir uns dafür, noch ein Stück hoch ins Gebirge zu fahren, um uns den langen Aufstieg zu ersparen. Wir übernachteten an einer kleinen Ruine.

Aufbruch ins Abenteuer II

Wir fanden schnell die Markierungen des Küstenwanderweges. Der Blick auf die Bucht von Kotor, dem südlichsten Fjord Europas, war grandios. Am Küstengebirge versickert das Wasser sehr schnell tief im Boden. Deshalb gibt es dort kaum zuverlässige Quellen. Auch auf unserer Karte waren keine eingezeichnet. Wir mussten hoffen, bei den Bergdörfern Wasser zu finden. Wir starteten unseren zweiten Fahrtenteil zuerst auf einer Asphaltstraße, später auf einem Schotterweg, bis wir zu einem kleinen bewohnten Dorf kamen. Dort kochten wir Mittagsessen. Die Siesta musste wegen der Hitze etwas länger ausfallen. Dann wurde aus dem Weg ein Pfad. Er führte uns an dem Tag noch zu einer wunderschönen Burg. Noch faszinierender war die Aussicht auf Kotor und seine Burg. Nachdem wir ein Lagerfeuer entzündet hatten, kam ein Bauer. Wir hatten ausversehen eine Kuhtränke als Feuerschale verwendet. Er sprach kein, fast kein Wort Englisch. Trotzdem kapierten wir schnell, was Sache war. Wir verlegten unser Feuer zwischen die Burgmauern und ließen den Abend mit der kürzlich erworbenen Gitarre ausklingen.

Auf der Suche nach Wasser

Langsam neigte sich die Balkanfahrt dem Ende. Es war nur noch eine knappe Woche. Wir stiegen in ein Bergdorf ab, welches verlassen war, aber es hatte noch einige funktionierende Zisternen. Der Mittag bestand aus dem Abkochen von Wasser und Erkunden der verlassenen Häuser. Die Nacht verbrachten wir in und um eine alte kleine Kapelle einige Kilometer von dem verlassenen Dorf entfernt. Wir versuchten uns, in sie zu quetschen. Es wurde dann doch schnell unbequem. Schließlich sollten wir am nächsten Morgen schon etwas ausgeschlafen sein, denn es stand ein großer Aufstieg bevor. Der Weg war dank des steinigen Geländes sehr hart. Irgendwann wunderten wir uns, warum wir das Meer so lange nicht mehr gesehen haben. Laut Karte sollte dies anders sein. Unsere Richtung war auch völlig falsch. Na toll, und ein weiteres Problem war, dass wir nicht mehr allzu viel Wasser hatten. Die Stimmung senkte sich etwas herab. Jedoch stießen wir kurz danach mit viel Glück auf ein Wasserloch. Der Mittag war erst einmal gerettet. Wir beschlossen zurückzulaufen, da uns die Wasserknappheit und das Ungewisse zu riskant erschienen. Beim Rückweg bemerkten wir, dass sich dort wo wir zuvor nach Wasser gesucht hatten, doch noch bewohnte Häuser befanden. Wir fragten, ob wir dort übernachten könnten. Der Bergbauernhof hatte viele Schafe und Ziegen und auf der Weide der Tiere erlaubte man uns zu schlafen. Wir wollten nach Schafskäse fragen, aber die Kommunikation war sehr schwierig. Wir kamen auf die Idee, unsere Wünsche aufzumalen. Jetzt klappte es! Wir konnten etwas Schafskäse und am nächsten Morgen sogar etwas Milch abkaufen. Wir erhielten noch die Information, dass um 5 Uhr die Ziegen herausgelassen werden, also mussten wir unser Lager ziegensicher machen. Die Ziegen kamen aber am nächsten Morgen nicht direkt zu uns. Wir machten uns weiter auf den Rückweg und anschließend stiegen wir zur Küste ab. Wir fanden die Abzweigung des Fernwanderweges einfach nicht, an der wir falsch gelaufen sein mussten. Als gäbe es den Weg den wir gesucht hatten nicht.

Die letzten Tage am Meer

Die restlichen Tage verbrachten wir an der Bucht von Kotor. Uns lud ein serbischer Pfadfinder in seine Ferienanlage ein, anscheinend war dies das Stammesheim der serbischen Pfadfinder. Man empfing uns dort sehr herzlich und sie boten uns an, direkt am Strand der Anlage zu schlafen. Sehr angenehm, vom Rauschen der Wellen in den Schlaf gewiegt zu werden.

Inzwischen kannten wir das montenegrinische Verkehrssystem besonders gut. Es klappt immer irgendwie, aber der Zeitaufwand ist nie abschätzbar. Wir wollten kein Risiko bei der Fahrt zum Flughafen eingehen und beschlossen, die letzte Nacht auf dem kleinen Zeltplatz in Podgorica zu verbringen, auf dem wir die erste Nacht in Montenegro geschlafen hatten. Ein Kleinbusfahrer bot uns eine sehr günstige Fahrt an, die günstiger war als die Linienbusfahrt. Es war eng, aber günstiger und wir kamen so direkt zum Zeltplatz. Mit einem sehr dekadenten Abendessen, einem Singeabend und drei Schweizer Mädels als Gäste ließen wir die Fahrt ausklingen. Es waren drei schöne Wochen, mit Höhen und Tiefen – in allen Bereichen, ob im Gelände oder in der Gruppe, doch auf welcher Fahrt erlebt man nur Höhen? Mit dem Rückflug über Wien ging auch dieses Abenteuer zu Ende.